Eine für alle - Schule neu bestimmen!

Veranstaltung am 18.10.

Eine Schule für alle – kaum ein Thema wird in der GEW so kontrovers diskutiert und das schon seit Jahren. Und obwohl der Wunsch nach einer Beseitigung der Chancenungleichheit und Bildungsungerechtigkeit für viele Schüler:innen in unserem hessischen Schulsystem den Großteil unserer Mitglieder eint und über lange Jahre in die inhaltlichen Debatten der GEW eingeflossen ist, bestehen doch kontroverse Lösungsansätze für die Beseitigung dieser Missstände.

Dies wurde auch deutlich in der Veranstaltung „Eine Schule für alle“, zu der der GEW-Kreisverband Marburg-Biedenkopf gemeinsam mit dem Landesverband der GEW und „Strömungen e.V.“ am Mittwoch, dem 18. November 2023 ins TTZ Marburg eingeladen hatte. Über 30 Menschen folgten dieser Einladung und nahmen rege an der Diskussion für ein gerechteres Bildungssystem teil, die nach einem Referat von Gerd-Ulrich Franz (ehemaliger Physik- und Chemielehrer in Gießen, Schulleiter in Wiesbaden und Bundesvorsitzender der GGG[1]) sowie Mareike Klauenflügel (stellvertretende Schulleiterin der Josephine-Baker-Gesamtschule in Frankfurt) stattfand. 

Mareike Klauenfügel stellte das Konzept ihrer Gesamtschule eindrücklich vor: „Meine Idee von einer gelingenden Schule ist geprägt von einer tiefen Überzeugung, dass Bildung und Erziehung einen wichtigen Beitrag leisten für die Basis einer demokratischen Gesellschaft, die auf Menschenrechten fußt und in der jede/jeder seinen/ihren Platz hat und die individuelle Stimme Gehör finden kann...Wir brauchen ein Schulsystem, das darauf vorbereitet, wie man auch in Krisenzeiten klug, human, demokratisch und solidarisch handelt.“ Dieses Handeln könne ihrer Meinung nach auch jetzt schon in bestehenden Systemen gelernt werden, wenn die Schulen sich neu ausrichteten und stets vom Kind her dächten, nach dem Grundsatz: Eine Schule für alle ist eine Schule für mich. Eine Botschaft also, die sowohl für Schüler:innen als auch für in Schule Beschäftigte gelten sollte.

Gerd-Ulrich Franz zeigte ebenfalls Perspektiven für ein gerechteres Schulsystem, für „eine inklusive Schule für die Demokratie“ auf. „Sitzenbleiben“ und „Abschulen“ sollten untersagt werden, im Schulsystem müssten integrierte Schulen den Vorrang haben. Es könne nicht sein, dass man plötzlich am Nachmittag spürt, dass die Freunde nicht mehr zum Fußballtraining kämen, weil sie nun in eine andere Schule gingen und deshalb plötzlich andere Freunde hätten. Die Selektion, die in unseren Schulen betrieben werde, gehöre ans Ende der Schulpflicht. Allokation müsse man durch Assessment ersetzen. So könne man Lernende und Lehrende entlasten und ein echtes Lerninteresse fördern, statt nur den Noten hinterherzulaufen.

Mareike Klauenflügel und Gerd-Ulrich Franz forderten das Publikum heraus. Ein Vater äußerte, dass man eine Nachmittagsschule für Eltern bräuchte, um seinen Kindern ein guter Nachhilfelehrer zu sein. „Was heißt hier inklusiv?“, fragte eine Teilnehmerin empört und schilderte emotional, wie Menschen mit Beeinträchtigung noch immer von unserem Schulsystem abgehängt werden und wenn überhaupt, nur auf den zweiten Arbeitsmarkt vorbereitet würden. Sie hielt ein flammendes Plädoyer für eine echte Inklusion und für Barrierefreiheit an Schulen. Ein ehemaliger Schulleiter einer hiesigen Schule warf ein: „Eine Retro-Veranstaltung mit Gymnasialbashing!“, zeigte dann aber auf, welche Aufgaben er Schulen zuordnet. Er forderte vor allem mehr Unterstützung für die Schulen, mehr Zeit für die Schüler:innen, aber auch die Abschaffung der Selektion nach der 4. Klasse und vor allem: Mehr Anerkennung des Berufes der Lehrkraft in der Gesellschaft. 

Nach zwei Stunden blieben, wie erwartet, viele Fragen offen. Und klar wurde auch, bei diesem Thema gibt es keine schnellen Lösungen. Aber: Wir bleiben im Gespräch und stellen uns einem strittigen Thema. Vor allem in Zeiten, die unsere Demokratie herausfordern.

Marylin Prange (Leitungsteam KV MR-BID und Vorsitzende des GPRS)